Test & Rat

Seereisen: Hinter den Kulissen – Insidertipps vom Kreuzfahrtdirektor

Kreuzfahrtdirektor Nico Schankin auf der MS Hamburg

Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise… Kreuzfahrten sind ein Megatrend mit vielen Angeboten von kleinen und großen Reedereien. Als Kreuzfahrtpassagier genießt man seine Reise. Was wirklich auf dem Schiff passiert, erfährt man selten. Clever reisen! wirft einen Blick hinter die Kulissen und spricht mit Nico Schankin, Kreuzfahrtdirektor der MS Hamburg über das Leben an Bord. Dazu gibt er viele Insidertipps für Seebären mit erstaunlichen Details.

Wie viele Kreuzfahrtdirektor/innen gibt es in Deutschland?

Nico S.: Von den circa 400 Hochsee-Kreuzfahrtschiffen, die insgesamt auf den Weltmeeren unterwegs sind, sind es etwa 30 Schiffe mit deutschsprachigen Gästen. Von daher kann man bei einer Doppelbesetzung von ca. 40-50 Kreuzfahrtdirektor/innen ausgehen, da nicht jedes Schiff einen Kreuzfahrtdirektor hat, es gibt personell auch andere Konstellationen.

Gibt es eine extra Ausbildung für Kreuzfahrtdirektor/innen?

Nico S. (lacht): Nein, die gibt es nicht.

Wie sind Sie Kreuzfahrtdirektor geworden?

Nico S.: Ich habe zuerst im Reisebüro an Bord gearbeitet, als Cruise Sale Consultant und Ausflugsleiter. Anschließend bin ich dann Kreuzfahrtdirektor geworden.

Seit wann sind Sie Kreuzfahrtdirektor?

Nico S.: Seit gut 8 Jahren, aber insgesamt fahre ich seit 15 Jahren zur See.

Was muss man als Kreuzfahrtdirektor von Natur aus für den Job mitbringen?

Nico S.: Dieser Job kann nicht erlernt werden. Man muss gut organisieren, auf der Bühne performen, Menschen führen, Witze erzählen aber auch ernsthafte Gespräche auf der Brücke führen können. Stressresistenz und natürlich ein gutes Allgemeinwissen sind Pflicht. Gerade auf einem kleinen Schiff, wie der MS Hamburg, müssen gemeinsam mit dem Kapitän wichtige Entscheidungen gefällt werden, man muss ein eloquentes Auftreten haben und, und, und. Es sind so viele Eigenschaften, die einfach zusammenpassen müssen.

Haben Sie sich auf die Stelle des Kreuzfahrtdirektors beworben?

Nico S.: Nein, da läuft kein normaler Bewerbungsprozess ab, wie sonst üblich. Man kennt sich in der Branche, weil es ein sehr kleiner Markt ist. Ich war vorher auf der Berlin, einem vergleichbaren Schiff und wurde von Plantours für die MS Hamburg angefragt.

Was hat Sie an der MS Hamburg gereizt?

Bei anderen Schiffen erhält der Kreuzfahrtdirektor seine Agenda bzw. Briefing und die Dinge werden abgearbeitet. Natürlich gibt es auf der MS Hamburg vorgeschriebene Standards, die einzuhalten sind, aber ansonsten bin ich völlig frei im Gestaltungsprozess. Z.B. was meine Auftritte auf der Bühne oder diverse Absprachen mit dem Kapitän betreffen, wie etwa spontane kleine Änderungen der Route oder zusätzliche, nicht vorgesehene Anlandungen. Für so eine außerplanmäßige Anlandung muss dann natürlich ein extra Ticket bei den lokalen Behörden gelöst werden, was nicht gerade billig ist. Das darf der Kapitän vielleicht noch bei wenig anderen Reedereien, wie z.B. bei Hapag Lloyd.
Bei Kreuzfahrtschiffen, wie etwa bei Aida, ist das undenkbar. Die fahren geradezu wie auf Schienen – immer im Kreis, unvorstellbar solche Abweichungen vom Programm. Wenn ein solches Schiff auch nur 20 m vom Kurs abdriftet, klingelt gleich das Telefon von Landseite. Wir können prinzipiell ja fast hinfahren, wohin wir wollen.

Wer ist verantwortlich für das Gesamterlebnis an Bord?

Nico S.: Grob gesagt, der Kapitän, der Hoteldirektor und der Kreuzfahrtdirektor. Getreu dem Motto: Fahren, Essen, Trinken, Schlafen, Spaß. Alles harmonisch aufeinander abgestimmt.

Waren Sie schon auf anderen Schiffen, außer der MS Hamburg tätig?

Nico S.: Ja, auf der Aida Prima, die ich mit in Dienst gestellt habe, aber ich wollte auf ein kleineres Schiff. Die großen Schiffe liegen mir nicht so. Auf der Berlin war ich Ausflugsleiter. Die Berlin ist ja vergleichbar mit der MS Hamburg. Dann kam Corona und die Berlin war weg. Es folgte ein bisschen Hapag Lloyd und gleichzeitig Flussfahrten – mit schön viel Kontakt zu den Passagieren, das mag ich. Tja, und dann kam Plantours. Die haben keinen klassischen Abarbeiter gesucht, sondern einen kreativen Kopf. Das hat „gematcht“ und passt wie die Faust auf‘s Auge!

Einfahrt in den Panama-Kanal

Zurück zur Hamburg: Was unterscheidet die MS Hamburg besonders von anderen Schiffen?

Nico S.:  Wir sind auf jeden Fall ein Schiff „zum Anfassen“. Jeder kennt jeden, sowohl die Gäste untereinander als auch innerhalb der Crew sind viele befreundet. Es ist immer wieder wie ein Nachhause kommen. Zudem das Preisleistungsverhältnis. Es ist unschlagbar im Bereich Expeditionskreuzfahrt und im Segment „kleine Häfen“. Es gibt kein anderes Schiff in Deutschland mit dieser geringen Passagieranzahl, das so kleine Häfen anfährt. Außer vielleicht die Hapag Schiffe, aber das spielt in einer anderen Preisliga. Die Übrigen sind viel größer als wir und MÜSSEN größere Häfen anfahren. Wie gesagt, die fahren immer im Kreis – um Mallorca rum (grinst) und wir fahren um die Welt und – fast nie zweimal hintereinander dieselbe Tour. Gut, die Antarktis ist eine Ausnahme, sowie auch die „Großen Seen“.

Wer bucht die MS Hamburg, gibt es viele Wiederholer?

Nico S.: Wir sprechen das eher reifere Publikum an, das auch Zeit für einen längeren Aufenthalt an Bord mitbringt. Von daher haben wir ganz viele Wiederholer; Circa 30-40 % Stammgäste (natürlich abhängig von den Routen) und viele davon buchen gleich zwei/drei Teilstrecken hintereinander. Das ist uns sehr wichtig, denn diese Gäste verstehen unser System, unsere Philosophie – und das Schiff. Wer großartig Halligalli und mega Entertainment erwartet, ist mit unserer kleinen MS Hamburg schlecht beraten. Enttäuschung wäre vorprogrammiert. Des Weiteren sind viele unserer Anlandestationen kleine und kleinste Häfen. Die dienen sozusagen als Hub, um von dort aus Land und Leute abseits des Mainstreams zu erkunden. Ausflüge jenseits der großen Häfen, z.B. mit dem Bus in die Atakama-Wüste oder in abgelegene Maja- und Inkastätten sind möglich. Das zieht natürlich Folgekosten für die Exkursionen nach sich, das zu berücksichtigen ist.

Wie hoch ist die maximale Gästezahl?

Nico S.: Maximal 400 Passagiere, aber da müssten alle Kabinen doppelt belegt sein, auch jene Kabinen mit bis zu vier Betten. Das bedeutet dann volle Hütte! In die Antarktis fahren wir mit 280 bis hin zu 360 Personen, das ist dann schon ziemlich voll.

Wie hoch ist die Anzahl der Crewmitglieder?

Nico S.: 150 aus 17 Nationen, hauptsächlich aus Indonesien und der Ukraine. Von den 150 Crewmitgliedern sind etwa 80 davon die „unsichtbaren Geister“ aus Maschinenraum, Küche usw., die kaum ein Gast zu Gesicht bekommt.

Einige Facts zum Routing:

Nico S.: Für unser besonderes Routing und dem spannendsten Jahresfahrplan sind wir mehrfach mit dem „Kreuzfahrt Guide Award“ ausgezeichnet worden. Schließlich fahren wir dahin, wo andere gar nicht hinkönnen, weil sie gar nicht hindürfen. Das liegt zum einen an unserer Eisklasse und den „Idealmaßen“ des Schiffes für Expeditionskreuzfahrten, was auch den geringen Tiefgang betrifft.

Was ist Ihre Tätigkeit im Detail?

Nico S.: Bevor die Reise losgeht, bekommt der Kapitän den „Fahrplan“. Er rechnet ihn nochmals durch, da dieser ja im Extremfall fast zwei Jahre alt ist. Dann kommt der Plan zu mir auf den Tisch und ich kalkuliere ihn nach den Standpunkten, wann und wie lange liegen wir wo… Schließlich geht’s in die Details: Wann ist Welcome, Farewell, Bazar, Elegant-Teatime, Crewshow etc. Anschließend sammle ich die gesamten Infos über das Entertainment-Team, von den Lektoren hinsichtlich der Vorträge, die Dauer der angebotenen Ausflüge, wieviel Personen nehmen daran teil, benötigt man an Bord beide Restaurants an den Ausflugstagen usw. usf. Wenn das alles zeitlich stimmig ist, baue ich daraus eine „runde“ Reise.

Während der Reise kommt das Fine-Tuning mit den gesamten Anpassungen. In Teamarbeit wird das jeweilige Tagesprogramm erstellt, der Hoteldirektor passt die Essenszeiten daran an, die Veranstaltungen werden mit dem Showkoordinator besprochen und eingeplant. Es folgen diverse Abstimmungen bezüglich der Lotsen und mit den lokalen Behörden. Ich muss mich zudem um die Zeitumstellungen bei längeren Schiffspassagen von mehreren Tagen kümmern, da wir auf diesen oftmals mehrere Zeitzonen durchqueren. Ich kann den Gästen ja nicht zwei Stunden der Nacht auf einmal „klauen“. Von daher muss die Zeitumstellung behutsam in mehreren Etappen realisiert werden. Bei den großen Reedereien würde man nie den einzelnen Kreuzfahrtdirektor damit beauftragen, dort stehen dafür ganze Abteilungen an Land zur Stelle, die sich um nichts anderes kümmern als um die Tagesplanung. Das würde dort auch gar nicht anders funktionieren – bei 15 Bars, 13 Restaurants, 12 Bühnen etc.

Wie lange ist Ihre tägliche Arbeitszeit?

Nico S.: Das ist schlecht zu beziffern, aber mindestens täglich von 06:00 Uhr morgens bis 22:00 Uhr abends, unterbrochen von einer guten Mittagspause und natürlich 24/7 multipliziert mit x Wochen!

Wie schaut es mit dem privaten Urlaub aus? Können Sie überhaupt noch Wasser sehen?

Nico S.: Letztens im Urlaub, da war ich am zweiten Tag auf einem Schiff und am fünften Tag schon wieder (lacht) – während der Hansesail ! Ganz generell liebe ich es ja, mit dem Schiff zu fahren. Aber so richtig genießen könnte ich es nicht, weil ich weiß, wieviel Arbeit hinter den Kulissen steckt. Ich könnte nie zur Bedienung sagen, dass das Eis im Drink vergessen wurde. Lieber trinke ich ihn lauwarm, ohne sie nochmals loszuschicken. Daher verbringe ich keinen Urlaub auf einem Schiff. Eher ist meine Auszeit mit Rucksack durch Thailand usw. angesagt.

Gibt es Gäste, die mehrere Monate auf dem Schiff verbringen?

Nico S.:  Oh ja. Tatsächlich gab es ein Pärchen, das so ungern geflogen ist. Die zwei haben in Hamburg eingeschifft und sind 190 Tage später wieder in Hamburg ausgestiegen: Ihre Route ging von Hamburg über die Azoren, Kapverdische Inseln, Brasilien, Antarktis, Chilenische Fjorde, Panamakanal, Kuba, Azoren und zurück nach Hamburg.

Ein Monat oder zwei auf dem Schiff hingegen sind keine Seltenheit. Auch weil Plantours im Katalog solche Kombinationsreisen anbietet, die deutlich günstiger sind als die Addition der Einzelreisen, weil bei solchen Kombireisen meistens zwei Flüge rausgerechnet werden können!

Sie werden täglich mit 1000 Fragen konfrontiert. Gibt es noch welche, über die Sie herzhaft lachen können?

Nico S.:  Naja, das ist seltener geworden. Aber gerade letztens nach der Einschiffung später am Abend wurde ich von Gästen gefragt, wo sie noch etwas zu trinken bekommen. Meine Empfehlung war unsere Weinstube auf Deck 5, woraufhin sie meinten, dass sie eher ein antialkoholisches Getränk vorziehen. Darüber kann ich schon schmunzeln. Ob das Personal auch an Bord übernachtet, ist ein alter Kalauer, der mir noch nicht untergekommen ist.

Wann wurde die MS Hamburg gebaut?

Nico S.: Im Jahre 1997 in Wismar als Columbus für Hapag Lloyd. Und zwar als Spezialbau, extra für die „Großen Seen“ in USA und Kanada angepasst. Am 7. Juni 2012 wurde sie feierlich im Hamburger Hafen auf den Namen der Hansestadt getauft. Seitdem fährt sie für Plantours Kreuzfahrten.

Wie lange ist die Lebensdauer so eines Schiffes?

Nico S.: Naja, das kommt auf die Erhaltung und die Pflege des Schiffes an. Ich rechne so mit 40 Jahren. Letztendlich begrenzen Vorschriften, wie etwa die Sauberkeit der Abgase, die Lebensdauer. Je weniger Umweltauflagen (ausgehend von der Bauart) man erfüllen kann, desto weniger Plätze und Häfen kann man anfahren. Man denke in dem Zusammenhang nur an den Geiranger Fjord in Norwegen. Das ist dann der Auslöser für die Entscheidung, ein anderes Schiff in den Dienst zu stellen, weil man diese besonderen Stationen natürlich wieder ansteuern möchte. Wenn etwas nicht nachgerüstet werden kann, wie z.B. Scrubber für die Abgaswäsche, dann ist das manchmal ein entscheidender Punkt und der Moment, das Schiff auszumustern.

Wer ist für den Einkauf der Lebensmittel zuständig?

Nico S.: Das geschieht alles landseitig. Zuständig sind bei uns die Büros der Firma Ligabue in Italien. Es gibt hierfür ganz klare Regelungen: Fleisch, Geflügel und Fisch kommen wegen der Qualitätskontrolle mit Tiefkühlcontainern aus Italien – das wird nie unterwegs eingekauft. Trockenlebensmittel, wie Mehl, Zucker, Salz, Nudeln, Reis werden auch mit Containern aus Italien angeliefert. Obst, Gemüse, Eier – manchmal auch Bier, wenn es alle ist – kaufen wir schon mal irgendwo auf der Welt. Das entscheidet der Hotelmanager.

Wie kommt man eigentlich an die Showkünstler?

Nico S.: Wir haben eine Agentur, die uns die Künstler sowie den Showkoordinator schicken. Viele der Künstler kommen schon seit Jahren öfter auf die MS Hamburg. Da weiß man, was sie können und bei mir startet sogleich das „Kopfkino“, wie die Reise ausschauen wird. Es muss ja auch dramaturgisch passen.

Wie viele Kilometer fährt denn die Hamburg im Jahr?

Nico S.: Bei 30 Reisen à zwei Wochen mit jeweils durchschnittlich 4.000 NM kommen wir pro Jahr auf etwa 120.000 Seemeilen. Das sind seit dem Stapellauf der MS Hamburg etwa drei Millionen Seemeilen! (Anmerkung: 1 NM oder 1 Seemeile entspricht 1,852 Kilometer)

Wie ist die durchschnittliche Auslastung des Schiffes?

Nico S.: Bei 205 Kabinen haben wir eine durchschnittliche Auslastung von circa 90 Prozent, bei maximal 10 Kabinen Leerstand.

Würde das Schiff auch mit 50 Passagieren an Bord fahren?

Nico S.: Aber natürlich – ganz nach Fahrplan. Das kommt jedoch nicht vor. 250 Passagiere sind immer an Bord.

Welche Kreuzfahrt ist der absolute Renner?

Nico S.: In Europa sind es Norwegen und die Ostsee. Das Mittelmeer ist etwas „eingeschlafen“ – die Routen bedienen auch andere Reedereien. Weltweit betrachtet sind es die „Großen Seen“, der Amazonas und die Polarregionen. Der Amazonas ist eine große Herausforderung hinsichtlich der Logistik. Die Antarktis in Kombination mit Südgeorgien ist ebenso der Hit.

Was ist Ihr persönlicher Favorit?

Nico S.: Den gibt es eigentlich gar nicht, da ich ja keine Urlaubsstimmung empfinde. Beruflich gesehen sind es die Ostsee und Norwegen, weil die Agenturen so professionell vor Ort arbeiten und immer deutschsprachige Guides zur Verfügung stellen. Und wenn ich einen Ausflugsbus für die Gäste bestelle, dann steht er pünktlich da. Dort liegen wir auch immer in größeren Häfen, also ein sicheres Terrain für uns, da kann nie etwas passieren. Es gibt keinen Einreise-Wahnsinn, wie z.B. in Miami. Am liebsten fülle ich die kleinen, weißen Flecken auf der Landkarte. Daher freue ich mich jetzt schon auf den Indischen Ozean.

Kommt es vor, dass ein Passagier verstirbt?

Nico S.: Ja das kommt bedauerlicherweise auch vor. Es gibt zwei Kühlkammern dafür und die verstorbene Person wird so schnell wie möglich ausgeschifft. Und zwar direkt am nächsten Hafen, wenn möglich. So sind die Bestimmungen. Die neuen amerikanischen Superkreuzer haben für diesen Fall bis zu 40 Kühlkammern und werben sogar mit dem Motto: „Wenn Sie bei uns versterben, bringen wir Sie trotzdem noch nach Hause“.

Wie sind die Kosten bei Anlandung an der Pier?

Nico S.: Sehr unterschiedlich, aber es kann schon mal, wie ich gehört habe, in St. Petersburg 160.000 Euro oder in Barcelona zwischen 100.000 und 200.000 Euro kosten. Kleinere Inseln verlangen so an die 10.000 Euro.

Gibt es Häfen, die sich um eine Anlandung der MS Hamburg bemühen?

Nico S.: Ja, das gibt es. Zum Beispiel kürzlich Buenaventura in Kolumbien. Da waren wir seit 1950 das erste Kreuzfahrtschiff. Das war ein riesen Tamtam im Hafen. Zig Offizielle sind extra zum Empfang angereist und Musikkapellen haben uns begrüßt. Oder der Port Everglades in Fort Lauderdale, der von unseren Einreiseschwierigkeiten in Miami gehört hatte, wo die Einreiseformalitäten extrem lange gedauert hatten und letztendlich auch kein Crewmitglied an Land durfte.

Was kostet die Passage für die MS Hamburg durch den Panama- und Suezkanal?

Nico S.: Ich schätze mal an die 100.000 Euro, das ist jetzt einfach mal so ein Tipp von mir. Der Nordostseekanal kommt auf 15.000 bis 20.000 Euro. Es ist ja eine Kombination aus Schiffslänge und Bettenanzahl. Früher ging es nur um die Anzahl der Betten, da musste z.B. die Queen Mary nur 99.000 Euro bezahlen, eine Folge aus langem Schiff mit wenigen Betten. Der Suezkanal ist erheblich günstiger. Ich kann mich erinnern, die Aida soll damals 150.000 Euro gekostet haben, aber die ist auch 250 Meter lang mit vielen Betten – und das Ganze in Cash, das haben die dort ganz gerne!!

Wie schaut es mit den Lotsenkosten aus?

Nico S.: Es handelt sich oft um Lotsenvereinigungen und die sind gar nicht so teuer, wie man vermuten mag. Ein Hafenlotse z.B. im Hamburger Hafen kommt auf 500 Euro, da er nicht so lange an Bord ist. Neben dem Hamburger Hafenlotsen braucht man noch den Elblotsen und den Lotsen an der Elbmündung. Aber wir haben manchmal auch Lotsen dabei, die uns die ganze Reise begleiten. Sie wohnen dann bei uns an Bord in ihren eigenen Kabinen. Wie in Norwegen. Dadurch dürfen wir dann auch durch die kleinen Inselgruppen fahren. Auch auf den „Großen Seen“ haben wir durchgehend Lotsen an Bord.

Wie schaut es mit dem berühmten „blinden Passagier“ aus, der plötzlich aus der Bananenkiste hüpft?

Nico S.: Bei uns ist einer aus der Melonenkiste gesprungen (lacht)… Nein, habe ich noch nie erlebt, kommt nicht vor, wird auch kaum vorkommen können. Die Häfen haben alle ihre extremen Sicherheitsvorkehrungen, da gelangt kein ungebetener Gast auf das Schiff.

Ausflug Half Moon Bay

Was war die exotischste Anlandung, die Sie je gemacht haben?

Nico S.: Ganz weit vorne war San Blas, eine winzige Inselgruppe, 700 Kilometer vor der Kolumbianischen Küste im Atlantik. Der Anlandungssteg war hier aus Holz geflickt, da musste man erstmal checken, wie man die Gäste auf die Insel bringen kann. Wir mussten uns für das „Tendern“ mit unseren Rettungsbooten entscheiden. Das war das Exotischste mit der MS Hamburg. Ansonsten zuvor vielleicht noch Jan Mayen Island, eine Insel auf halben Weg zwischen Spitzbergen und Island. Bisher waren wohl erst 10.000 Besucher auf dieser Insel, wohl auch weil sie immer im Nebel liegt. Vor Ort gibt es keinen Anlandungssteg. Es wohnt auch niemand dort. Es gibt nur eine kleine Forschungsstation. Als wir vorbeifuhren, da war mal zufälligerweise kein Nebel und wir konnten mit unseren Zodiacs anlanden.

Haben Sie eine Daueranstellung oder einen Zeitvertrag?

Nico S.: Das ist eher so was wie ein Zwitterding, da ich zwischendurch immer noch Flusskreuzfahrten mache. Ansonsten gilt mein Vertrag immer für 2-4 Monate an Bord.

Ist die Spezies „Ekel Alfred“ ausgestorben oder treibt sie manchmal noch ihr Unwesen an Bord?

Nico S.: Die Gäste an Bord sind ein Querschnitt der Gesellschaft, von daher gibt es auch mal einen Gast, der sehr „kritisch“ ist. Meine Aufgabe ist es dann, auch diesem Passagier eine angenehme Reise zu ermöglichen. Manchmal sind wir aber auch machtlos.

Wenn sich ein Gast bei einem Landausflug verspätet, wie lange kann das Schiff auf den Passagier warten? Kommt das vor und was passiert mit dem Gepäck? Z.B. Zoll, Rücktransport etc.? Der Gast ist ja dann ohne Reisepass gewaltig aufgeschmissen…  (Denn die Pässe sind ja alle an Bord für die Einreiseformalitäten gesammelt worden).

Nico S.: Wir haben die Pässe nur dann an Bord, wenn in jedem Hafen Einreiseformalitäten zu erledigen sind. Wenn wir z.B. zwischen zwei europäischen Häfen unterwegs sind, ist dies nicht nötig.

Wenn ein Gast sich bei seinem privat organisierten Landausflug verspätet, kommt es auf viele Faktoren an. Weiterer Fahrplan, Pier länger nutzbar, Kontaktaufnahme möglich mit dem Gast etc.  Sollten wir nicht warten können, informieren wir die Reederei, den Hafenagenten und ggf. Kontaktpersonen des Gastes an Land.

Auf Passagiere, die mit einem durch uns organisierten Landausflug unterwegs sind, warten wir natürlich immer, wenn es die Gegebenheiten und die Situation zulassen. Wir haben allerdings erfahrene Agenturen, große Verspätungen kommen selten vor.

Die täglichen Horrornachrichten, wie Kriege, Pandemien, Klimakatastrophen etc. können die Gäste während der Reise kurzfristig ausblenden. Wie machen Sie das, wie informieren Sie sich? Nur über die tägliche Bordzeitung? Oder ist das punktuell und situationsbedingt z.B. Lotsenstreik, Niedrigwasser Panamakanal, Unruhen/Demonstrationen.

Nico S.: Wir bekommen aus vielen Kanälen unsere Informationen. Vom Bremer Büro, von den Hafenagenturen, den Ausflugsagenturen, der nautischen Agentur und vom italienischen Büro. Zusätzlich informieren wir uns über das Weltgeschehen, welches unsere Gäste tangiert oder von großem Interesse für die Gäste ist. Privat bin ich eigentlich ganz froh, nicht täglich mit den Schlagzeilen konfrontiert zu sein.

Schlafen Sie an Bord in einer gewöhnlichen Kabine oder ist diese für den Daueraufenthalt wohnlicher konzipiert?

Nico S.: Ich habe wohl ca. 16qm. Es ist eher so, dass die Kabine zweckmäßig ist aber dennoch schön. Wichtiger ist jedoch die Lage mit einem kurzen Weg bis zur Brücke. Letztlich nutze ich die Kabine sowieso nur zum Schlafen, den TV habe ich im letzten Jahr nicht einmal angehabt.

Treffen Sie den Kapitän täglich auf der Brücke? Was gibt es da zu besprechen?

Nico S.: Wir sehen uns täglich, das ist wichtig. Wir besprechen am Morgen den bevorstehenden Tag, besondere Aktivitäten, wir reden über die Wettervorhersage und den Fahrplan, machen ggf. Anpassungen und planen, wenn nötig neu. Beim Ein- und Auslaufen sind wir in jedem Fall beide auf der Brücke. Es ist ein sehr kooperatives und freundschaftliches Miteinander.

Haben Sie schon einmal einen Seegang z.B. in der Drake-Passage erlebt, wo Sie sich am liebsten samt Schwimmweste mit dem Koffergurt an die Kabinentür gezurrt hätten?

Nico S.: Nicht mit Schwimmweste, aber ich habe mich schon mehr als einmal an meinen Schreibtisch gegurtet, um weiter arbeiten zu können und nicht im Büro umherzurollen.

Ein Kreuzfahrtdirektor ist per se kein Kind von Traurigkeit, immer gut gelaunt, Kommunikator und Entertainer. Gibt es Situationen, die Sie aus der Fassung bringen?

Nico S.: Nach außen nicht, nach innen aber schon, vor allem wenn meine hart arbeitenden Kollegen und Kolleginnen pauschaliert kritisiert werden weil dies oder das nicht funktionierte, ohne die entsprechenden Hintergründe zu kennen oder zu realisieren, das einiges auch nicht in unserer Hand liegt. Stichwort: „Das Wetter ist eine Frechheit“

Läuft der Kontakt mit den Behörden immer reibungslos oder können sich Bestimmungen ad hoc ändern?

Nico S.: Gerade in den USA ist das an der Tagesordnung und manchmal unplanbar für uns. Aber das wäre Stoff für ein weiteres Interview. So lang sind die Geschichten über die Einreiseformalitäten und Unwegbarkeiten.

Tipp vom Fachmann für alle Kreuzfahrtneulinge: Wo sind die Kabinen mit den geringsten Schiffsbewegungen?

Nico S.: Mittleres Deck, mittig im Schiff! Am besten mit Fenster.

Gibt es an Bord Fitnessstudio, Arzt, Wäscherei und Friseur?

Nico S.: Fitnessstudio, Wäscherei und Frisör gibt es, zusätzlich auch einen Wellnessbereich. Und ohne einen Arzt an Bord dürften wir gar nicht auslaufen. Dazu auch eine Krankenschwester und ein Schiffshospital.

Wenn der Kapitän schwer erkranken würde, gibt es an Bord einen adäquaten Ersatz?

Nico S.: Natürlich, mindestens der Staffkapitän kann das Schiff bis in den nächsten Hafen fahren. Dann ist aber erstmal Ende bis die Nautik wieder komplett einsatzbereit ist.

MS Hamburg (vorne) im Größenvergleich mit einem Mega-Kreuzfahrtschiff

Stehen auch mal Länder wie Indonesien, China, Australien, Neuseeland oder Inseln wie Bali oder Hawaii auf dem Programm der MS Hamburg?

Nico S.: Der aktuelle Katalog ist bis April 2025 gültig, bis dahin werden diese Ziele nicht angesteuert. Welche Routen im Folgekatalog enthalten sein werden, da lassen wir uns gerne überraschen.

Danke, ahoi und weiterhin eine Handbreit Wasser unterm Kiel!!!

Interview: Frank Heinzl. Bilder: Frank Heinzl, Martina Kohler